Anekdoten vom Moosgässer Opa.

Anekdoten vom „Moosgässer Opa“.

Der Jüngling

Schabernack, der saß dem Moosgässer Opa immer schon im Nacken. Als er an einem schönen Herbsttag auf Kirst im Wingert war, sah er zwischen den eng stehenden Reihen der Rieslingreben viele fleißige Leute arbeiten. Er mag sich gedacht haben: ,, Was passiert wohl, wenn ich den Berg runter renn?“ So tat er es in immer schnellerem Schritt und rief dabei laut: „Rennt, rennt, rennt-… !“ Das hörte sich für die Leute an wie: ,, Es brennt! Es brennt!“… Sie fragten zurück: ,, Wo brennt es?“ doch der junge Springinsfeld rannte ohne Antwort weiter und rief: ,,Rennt, rennt … “

Die alten Fachwerkhäuser, eng beieinander gebaut, waren sehr gefährdet. Sicher saß die Furcht vor einem Feuer tief verwurzelt. So überlegten sie nicht lange, ließen alles liegen und stehen und eilten dem Rufer nach. Schließlich hatte er eine ganze Meute hinter sich. Er machte, das er unerkannt in den Gassen verschwand.

Er wurde nicht erwischt, sonst hätte er die Geschichte sicher nicht mit einem vergnügten Lachen erzählt, auch nicht nach so vielen Jahrzehnten als alter Mann.


Notlüge

Der Moosgässer Opa war groß und kräftig gewachsen, so recht Respekt einflößend. Es wagte keiner, ihn anzugreifen. Zwei Raufbolde taten sich aus diesem Grund zusammen und verprügelten ihn nach Strich und Faden. Das schmerzte den jungen Mann doppelt.

Wie es der Zufall wollte, kam eines Tages auf dem schmalen Weinbergsweg einer der Schläger dem Moosgässer Opa entgegen. Als er seinen „Prügelknaben“ sah, wollte der kehrt machen, doch der Moosgässer sagte: ,,Alles vergeben und vergessen!“ und ließ ihn näher kommen. Dann aber setzte es Keile, die sich sehen lassen konnten.

Beide Schläger sind dem Moosgässer Opa ab da immer fein aus dem Weg gegangen und keine anderen Enkircher Männer haben sich getraut, ihn zu verprügeln. Irgendwann käme der Tag, an dem sie dem starken Moosgässer allein begegnet wären.


Heimweg

In Starkenburg wird der Königstag immer groß gefeiert. Besonders die Jugend lässt sich diese Gelegenheit nicht entgehen. In alten Zeiten gab es noch seltener eine Möglichkeit als heute, sich mal den Wein schmecken zu lassen.

Da hat der Moosgässer Opa und seine Freunde den langen Fußmarsch bergauf nicht gescheut. Sicher trafen sie auch einige fesche Winzertöchter beim Tanz. Der Abend war besonders schön. Sie konnten gar keinen Schluß finden und merkten erst als sie aufstanden, wie schwer die Beine und wie doll der Kopf war.
„ Was machen wir nur? Wir können doch in dem Zustand den langen Weg nicht zurück laufen“, dachten sie und fanden auch gleich eine Lösung.

Nahe an der Straße hatte ein Bauer seinen Leiterwagen stehen. Solche Gefährte hatten keine Tür und kein Schloß, also war es ein leichtes, hinaufzusteigen. Einigen Kumpanen mußten sie beim Klettern über die hohe Leiter schon etwas helfen. Als alle eingeladen waren, gab der letzte einen kräftigen Stoß und die eisen beschlagenen Räder ratterten die Dorfstraße hinunter. Zu Anfang war es auch noch gar nicht so steil. Sie mußten immer noch einmal schieben, aber dann, auf offener Landstraße, wurde die Fahrt immer schneller. Der Mond beleuchtete ihren Weg, aber eine Warnung vor der großen Kurve war damals noch nicht angebracht. Die rasante Fahrt brachte sie zum Juchzen. Die Schals wehten im Fahrtwind, als die Räder über die Hecken in die Böschung rollten. Alles kollerte durcheinander. Der Wagen hing fest im Gestrüpp, das sie vor einem schlimmeren Ende bewahrt hatte.
Leicht hinkend und nicht mehr ganz so fröhlich wurde der Rest des Heimwegs zu Fuß zurückgelegt.


Kellerschweine

Der Moosgässer Opa hat mit Freunden und mit den dazugehörigen Mädchen bei sich zu Hause einen fröhlichen Abend feiern wollen. Zur Fröhlichkeit fehlte ihnen allerdings der nötige Wein. Die Eltern waren sparsame Leute und wollten den Wein lieber verkaufen. Also, fragen hätte keinen Erfolg gehabt. Die Schlüssel zum Weinkeller hingen aber in der Küche, wo die Erwachsenen versammelt waren.

,,Wie bekommen wir die Schlüssel nur raus?“ war ihre Überlegung. Gemeinsam schlichen sie in den Hof und zum Schweinestall. Der war nur mit einem Riegel gesichert. Die Schweine sind freiheitsliebende Tiere. Als sie die Stalltür offen sahen, rannten sie im Schweinsgalopp in den Hof und stimmten ein fröhliches Schweinsgequieke an. Das hörten die Eltern und Verwandten vom jungen Moosgösser Opa, rannten ihrerseits in den Hof und versuchten die wilde Schweineschaar wieder einzufangen. Schweine sind flink und wendig und haben ein beträchtliches Gewicht einzusetzen.

Die Jugend hatte jedenfalls genug Zeit, den Weinkeller aufzuschließen und sich mit der flüssigen Fröhlichkeit zu versorgen. Von der Nachgeschichte, die bestimmt eine kräftige Standpauke war, wurde nichts berichtet.


Kriegsdienst

Der Moosgässer Opa war im zweiten Weltkrieg auf Kreta stationiert. Dort wächst auch ein Wein. Das hat die Insel mit seiner Moselheimat gemeinsam.

Im Herbst haben sie befehlsmäßig die gelesenen Trauben mit den Füßen gekeltert. Der süße Most kam im warmen Herbst auch schnell in Gärung und wurde Federweißer. Wie jeder weiß, trinkt sich dieser junge Wein hervorragend. Die Kameraden vom Moosgässer Opa kannten die Wirkung des „ Neuen“ nicht und konnten gar nicht genug von dem berauschenden Getränk in sich hineinkippen. Die Folgen können wir uns denken. Der einzige, der nicht dauernd auf der Latrine hing, war der Moosgässer Opa. Der Kompaniechef verbot daraufhin das Keltern der Trauben im Herbst.

Ein Herbst ohne Wein ist aber für einen Moselaner nicht vorstellbar. Unser Moosgässer ließ sich nicht vom Keltern abhalten. Heimlich sprach er mit einigen Freunden dem Wein auch weiterhin zu.


Kneipenbesuch

Auf Kreta fanden keine kriegerischen Handlungen mehr statt. Daher gab es für die dort stationierten Truppen auch eine Art Feierabend. Der Moosgässer Opa wollte diese freie Zeit mit einigen Kameraden in der Kneipe verbringen. Es gab nicht viele in dem kleinen Ort. Als sie in das Lokal kamen war es schon fast voll besetzt. Nur ganz hinten waren noch einige Plätze frei. Laute Fröhlichkeit herrschte in dem verräucherten Raum.
Mit kräftiger Stimme verkündet der Moosgässer: ,,Dahinten, bei dem Glatzkopf, da setzen wir uns nicht hin!“ Seine große Gestalt überragte die anderen Gäste. Alle blicken irritiert in seine Richtung. Da erhebt sich der angesprochene Soldat, der als einziger einen kahlen Kopf hat. Er reckt sich und stapft in voller Größe auf den Enkircher zu.
Die Gäste sind ganz still. In Erwartung einer zünftigen Prügelei der beiden gleich großen Kerle wenden sich alle Gesichter in die Richtung unseres vorlauten Helden. Der Kahlkopf ist schon recht nah, da zieht der Moosgässer Opa seine Soldatenmütze und zeigt einen ebenso kahlen Schädel. ,,Herr Wirt, zwei Wein!“ dröhnt seine Stimme durch den Gastraum. Die Spannung löst sich in Gelächter auf. Die beiden Kampfhähne schlagen sich gegenseitig freundschaftlich auf die Schulter.


Haltbarkeit

Es war direkt nach dem zweiten Weltkrieg. Da kamen die Amerikaner als Besatzer ins Dorf. Alle Enkircher hatten noch Vieh im Stall: Kühe, Schweine, Hühner und Gänse. Sie dienten der Selbstversorgung und falls einmal Überschuß wart wurde das nicht an die große Glocke gehängt.

Hausdurchsuchungen waren gefürchtet, denn die neuen Herrn wollten alles gut unter Kontrolle haben und den Schwarzmarkt unterbinden. Was blieb den armen Bauern und Winzern übrig, als die kostbarsten Stücke zu verstecken. Das Kostbarste war damals Speck und Schinken. Es wurde selbst geräuchert. Die Schinken hingen tagelang im Rauch und wurden durchdrungen von den haltbar machenden Stoffen. Nur so ist es zu erklären, daß ein Stück Fleisch noch nach Jahren genießbar war.
Die Moosgässer Oma hatte nämlich ihre Schinken, es waren so Stücker drei oder vier, so gut versteckt, daß sie sie nicht mehr fand. Das Haus in der Moosgass ist schon vor über achthundert Jahren gebaut worden. Es hat Gewölbekeller mit Fluchtgängen, die unterirdisch zu den Nachbarhäusern gingen und vielleicht aus Enkirchs Befestigungsmauer herausführten. Der Speicher mit seinem alten Gebälk bietet auch manch ein Versteck.

In den Zeiten danach gab es immer mal wieder einen Glücksmoment, wenn mehr oder weniger zufällig eins der vermissten Wertstücke gefunden wurde. Der letzte Schinken tauchte erst nach Jahren unter einem· Haufen Asche auf. Er war unversehrt von Mäusen und noch gut im Geschmack, wie berichtet wird.


Südfrüchte

Im Krieg gab es bei uns keine Früchte außer den selbst geernteten. Etwas ganz besonderes waren die sogenannten Südfrüchte. Der Moosgässer Opa war einige Jahre auf Kreta stationiert und hatte die saftigen Apfelsinen besonders gern.
Seinen Lieben daheim in Enkirch wollte er auch eine Kostprobe zukommen lassen. Die Post funktionierte recht gut und so ging ein Paket auf die weite Reise. Eines Tages bekam die Moosgässer Oma Nachricht, sie solle eine Sendung von der Post abholen, aber einen Eimer mitbringen. Die saftigen Apfelsinen waren auf der langen Reise hin- und hergeworfen und wohl auch gedrückt worden. Der schon etwas angefaulte Saft tropfte aus der Verpackung und klebte auch an anderen Postsendungen.
Der Moosgässer Opa hat es noch einige Male versucht. Doch auch, wenn er nicht ganz reife Früchte geschickt hätte, die Reise war einfach zu weit für die empfindlichen Südfrüchte.

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